Gesta Romanorum oder Die Taten der Römer, 99. Kapitel: Wie die Schlange die Kröte besiegte - bitedition.net

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Gesta Romanorum oder Die Taten der Römer

Wie die Schlange die Kröte besiegte

aus
Gesta Romanorum oder Die Taten der Römer,
dem ältesten Märchen- und Sagenbuch des christlichen Mittelalters

Einst war ein König Cäsar, in dessen Reich ein edelmütiger und tapferer Ritter lebte, welcher einstmals durch einen Wald ritt und eine Kröte mit einer Schlange kämpfen sah: Die Kröte aber war stärker und besiegte die Schlange. Wie das der Ritter sah, half er der Schlange und verwundete die Kröte sehr schwer, diese aber entkam und begab sich auf die Flucht, indessen der Ritter von derselben selbst eine tiefe Wunde erhalten hatte. Als das der Ritter merkte, stieg er vom Pferd, doch das Krötengift blieb in der Wunde: Er begab sich hierauf nach Hause und blieb lange krank wegen dieser Wunde, machte sein Testament und bereitete sich auf den Tod vor.

Wie er aber eines Tages am Feuer lag und schon nicht mehr an seine Genesung glaubte, kam auf einmal die Schlange herein, die er vom Tod gerettet hatte, und seine Diener sagten, als sie die Schlange erblickten: „Herr, eine Schlange ist hereingekrochen.“ Wie sie aber der Ritter ansah, erkannte er, dass es die Schlange war, für deren Beschützung er seine Wunde und alle seine Übel bekommen hatte. Der Ritter sprach also: „Behindert sie nicht, sie wird mir, wie ich meine, nichts Böses zufügen.“

Da kam die Schlange vor den Augen aller auf ihn zu und saugte mit ihrer Zunge das Gift aus der Wunde, bis sie das ganze Maul voll hatte. Alsbald eilte sie zum Haus hinaus und gab das Gift wieder von sich. Hierauf kehrte sie zurück und kam noch einmal zu ihm, und so geschah es noch zwei und drei Mal, bis sie das ganze Gift aus ihm gesogen hatte. Als das geschehen war, gab der Ritter der Schlange Milch zu trinken. Als sie getrunken hatte, da kam die Kröte, von welcher der Ritter seine Wunden empfangen hatte, herein und fing an mit der Schlange zu kämpfen, wie wenn sie sich dafür rächen wollte, dass die Schlange den Ritter geheilt hatte.

Als der Ritter das sah, sprach er zu seinen Dienern: „Ihr Lieben, ohne Zweifel ist das die Kröte, welche ich bei der Verteidigung jener Schlange verwundet habe und von der alle meine Leiden herrühren. Wenn sie die Schlange besiegt, wird sie mich anfallen, und euch mein Leben lieb ist, müsst ihr sie auf der Stelle umbringen.“ Wie das die Diener hörten, töteten sie sie mit Schwertern und Stöcken. Die Schlange aber, als wollte sie ihre Zufriedenheit und Dank darüber zu erkennen geben, wand sich um die Füße des Herrn und kroch dann hinaus, der Ritter aber erlangte wieder seine vollkommene Gesundheit.

Quellenangabe:
Gesta Romanorum oder Die Taten der Römer,
dem ältesten Märchen- und Sagenbuch des christlichen Mittelalters, I, 99. Kap.
1842 von Dr. Johann Georg Theodor Grässe aus dem Lateinischen übersetzt.
Leicht überarbeitet, an die heutige Rechtschreibung angepasst, ohne Moralisationen.
Copyright: Gemeinfrei.

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